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„Nur ein neuer Name bringt ja noch keine Veränderungen“ – ein Interview über die Riedbahn

Mit der Generalsanierung der Riedbahn bündelt die Deutsche Bahn erstmals auf einem hochausgelasteten Korridor alle geplanten Baumaßnahmen der kommenden Jahre innerhalb einer Streckensperrung. Damit dieses ambitionierte Unterfangen gelingt, kommt es auf gute Zusammenarbeit an – zwischen der neu gegründeten DB InfraGO AG sowie allen am Projekt beteiligten Akteuren.

Wir haben darüber mit Vertretern der gemeinwohlorientierten DB InfraGO AG gesprochen: Gerd-Dietrich Bolte (Leiter Infrastrukturprojekte Fahrweg Mitte) sowie Michael Groh (Regionalbereichsleiter Südwest Personenbahnhöfe) und Benjamin-Frank Schmidt (Leiter Bahnhofsmanagement Darmstadt).

Die DB Netz AG und die DB Station&Service AG wurden zu einer neuen Infrastrukturgesellschaft zusammengeführt, der DB InfraGO AG. Wie läuft in Zukunft die Zusammenarbeit?

Schmidt: Wir waren vorher zwar bereits Kolleg:innen, doch der Zusammenschluss zur DB InfraGO AG erleichtert und beschleunigt unsere Arbeitsabläufe und Abstimmungsprozesse.

Bolte: Das stimmt. Indem wir noch näher zusammenrücken im täglichen Bahnbetrieb und bei unseren Bauprojekten, entwickeln wir unsere Prozesse und Regularien gemeinsam zu neuen Standards weiter, um noch effizienter zu arbeiten.

Schmidt: Ein gutes Beispiel dafür ist der Bau einer Rampe am Bahnhof in Walldorf für mehr Barrierefreiheit, die nur durch die enge Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen möglich ist. Denn für den Bau muss die Strecke gesperrt werden.

Gerd-Dietrich Bolte, Leiter Infrastrukturprojekte Fahrweg Mitte

Abgesehen von weniger Bürokratie, ändern sich durch die neue DB InfraGO AG Zuständigkeiten?

Groh: Grundsätzlich bleiben unsere originären Aufgaben so, wie sie sind. Vereinfacht gesprochen: Wir werden nicht die Weichen tauschen für die Infrastrukturprojekte Fahrweg und die Kolleg:innen auch nicht unsere Bahnhofsuhren. Da bleiben die Zuständigkeiten gleich. Doch da, wo man zuvor schon enge Schnittstellen hatte, wie zum Beispiel beim Winterdienst, der Gleisreinigung, der Baustellenabwicklung und -logistik, schauen wir, was wir noch besser machen können. Wir schaffen durch die DB InfraGO AG Synergien und arbeiten noch effizienter und zielgerichteter zusammen. Denn, nur ein neuer Name bringt ja noch keine Veränderungen.

Bolte: Richtig, es muss auch von allen gelebt werden!

Schmidt: Bildhaft gesprochen: Wir müssen funktionieren wie eine Art Getriebe. Wir sind Zahnräder, die ineinandergreifen, damit alles reibungslos läuft.

Ein schönes Bild mit dem Getriebe. Wie konkret äußert sich das beim Riedbahnprojekt?

Bolte: Bei der Riedbahn haben wir von Beginn an alle Maßnahmen gemeinsam geplant und sind auch gegenüber den Bürgermeister:innen und der Politik sowie den Verkehrsverbünden als ein Team Riedbahn aufgetreten. Auch Öffentlichkeit und Medien sind aus einer Hand informiert worden.

Groh: Das gilt künftig im Übrigen auch intern. Alle Mitarbeitenden werden gemeinsam informiert und nicht mehr voneinander getrennt. So haben wir beispielsweise auch bereits gemeinsame Termine und Dialoge für das nächste Jahr terminiert. Die besondere Herausforderung beim Riedbahnprojekt ist also nicht die Zusammenführung unserer beiden Unternehmen, sondern vielmehr der zeitliche Horizont beim Projekt.


Michael Groh, Leiter Regionalbereich Südwest Personenbahnhöfe

Können Sie das genauer ausführen?

Bolte: Wir hatten eine extrem kurze Planungsphase und werden mit den Baufirmen in nur fünf Monaten 117 Kilometer Gleise, 152 Weichen, 140 Kilometer Oberleitung und mehr als zehn Kilometer Lärmschutzwände erneuern. In dieser Zeit nehmen wir neue ESTWs mit insgesamt 1.200 Elementen und ETCS mit rund 4.000 Ballisen in Betrieb. Mehr Flexibilität bekommt unser Betrieb durch drei neue Überleitstellen und einen optimierten Gleiswechselbetrieb auf der ganzen Strecke – das wird ein echter Kraftakt für alle im Projekt- und Anlagenmanagement.

Groh: Genau! Und zum Hochleistungsnetz gehören auch ansprechende Bahnhöfe. Sie sehen, die Riedbahnmodernisierung ist ein Mammutprojekt. Denn mit der Generalsanierung erneuert die Deutsche Bahn erstmals Bahnhöfe und Schienennetz aus einem Guss.


Gleisbauarbeiten auf der Riedbahn zwischen Riedstadt und Goddelau. Mit einem Kran wird eine Weiche eingebaut.

An der Riedbahnsanierung ist ja nicht nur die DB InfraGO AG beteiligt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren wie Aufgabenträgern, Zweckverbänden, Kommunen, Ländern und insbesondere den Eisenbahnverkehrsunternehmen und Gleisanschließern?

Bolte: Wir haben uns mit den Ländern Hessen und Baden-Württemberg sowie den Aufgabenträgern in der Region intensiv über die Generalsanierung der Riedbahn ausgetauscht: über den Umfang der zu sanierenden Anlagen, das Verkehrskonzept und den Schienenersatzverkehr. Insbesondere beim Verkehrskonzept, das unsere Fahrplaner:innen entwickelten, haben wir alle betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Gleisanschließer eng eingebunden und das Konzept in mehreren Gesprächsrunden immer weiter optimiert, um alle Seiten zufriedenzustellen. Wir sind uns bewusst, dass dieses Projekt auch eine echte Herausforderung für unsere Kund:innen darstellt.

Schmidt: In puncto Kommunen stand bei der Abstimmung vor allem die Bahnhofsmodernisierung und der Schienenersatzverkehr im Fokus. Denn schließlich ist unser Anliegen, nicht nur die Schiene zu verbessern, sondern zeitgleich auch die Bahnhöfe und das Bahnhofsumfeld: Entlang der Strecke werden 20 Stationen modernisiert – von Bahnsteigdächern und Wetterschutzhäusern über Wegeleitsysteme und Unterführungen bis hin zu Rampen und Aufzügen für einen barrierefreien Zugang. Um die Bürger:innen über konkrete Maßnahmen zu informieren, sind wir in den vergangenen Wochen an den verschiedenen Bahnhöfen mit unserem Infomobil unterwegs gewesen.

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Bahnhofsmodernisierung an der Riedbahn - im Bahnhof Bobstadt wird eine neue Unterführung gebaut.

Welches sind im Hinblick auf die genannten Akteure die wesentlichen Herausforderungen bei dem Projekt?

Groh: Die größte Herausforderung war, alle Akteure zunächst davon zu überzeugen, dass der Verkehr nach der Generalsanierung zuverlässiger und pünktlicher über die Riedbahn rollen wird. Je nach Akteur sind die Anforderungen und persönlichen Gesichtspunkte und die Besorgnis sehr unterschiedlich.

Schmidt: Auf den ersten Blick scheinen die Interessen bei dem Projekt auseinanderzuliegen: Die Reisenden wollen pünktlich und schnell über die Riedbahn an ihr Ziel kommen, wir müssen die Riedbahn schließen und am Stück bauen. Das sind zwei Interessen, die aufeinandertreffen. Das ist uns bewusst. Aber wir sind überzeugt, dass dieser Schritt notwendig ist, um unser Schienennetz zukunftsfähig zu machen und dem wachsenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. Wir müssen zwingend sanieren, damit Reisende wieder schnell an ihr Ziel kommen, uns eint also im Endeffekt dasselbe Ziel.

Bolte: Doch besonders wichtig ist bei derartigen Großprojekten die politische Unterstützung, die sowohl aus Berlin als auch aus Hessen, wo der maßgebliche Teil der Strecke liegt, von Beginn an gegeben war.

Das sind wirklich viele Herausforderungen. Wie begegnen alle Beteiligten diesen?

Bolte: Die Resonanz ist natürlich immer unterschiedlich, mal positiv, mal skeptisch, mal neugierig. Doch es gibt ein Thema, das alle intern und extern eint: die Anerkennung, dass wir als Bahn uns etwas wirklich Großes, Neues zutrauen, das uns bei der Sanierung der Infrastruktur in großen Schritten nach vorne bringen wird – es ist ein Paradigmenwechsel. Davon bin ich überzeugt.

Sie reden von einem Paradigmenwechsel. Wie liefen Sanierungs- oder Modernisierungsarbeiten denn bisher ab?

Groh: Bisher war es häufig so, dass wir abschnittsweise unter rollendem Rad modernisiert haben. Eine Strecke wurde für mehrere Stunden gesperrt, in dieser Zeit wurde gebaut, dann wieder weggeräumt, sodass der Zugverkehr wieder fahren konnte. Das war in Summe nicht sehr effizient und bedeutete eine häufige Baubetroffenheit für unsere Kund:innen. Durch die lange Vollsperrung können wir nun mehr Bauvolumen ermöglichen und gleichzeitig im Schatten der Gleismaßnahmen unsere Bahnsteigmaßnahmen abwickeln. Dabei muss man aber stets auch im Blick haben, wie das Material an die Baustelle kommt, wenn keine Schiene mehr liegt. Wie bekomme ich die ganzen Pflastersteine und die Ausstattungselemente an die Station? Baulogistik ist da ein ganz, ganz wichtiges Thema für einen reibungslosen Ablauf.

Hand aufs Herz: Haben Sie Bedenken, dass die Riedbahn nicht in der geplanten Zeit fertig werden könnte?

Schmidt: Der zeitliche Faktor ist ambitioniert, keine Frage. Aber es wurden auch im Vorfeld die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen: So hat der Bund zum Beispiel das Planrechtsverfahren vereinfacht. Das hat bürokratische Abläufe reduziert – und kam rechtzeitig zum Start des Riedbahnprojektes und uns bei der Planung zugute.

Groh: Uns ist natürlich sehr wohl bewusst, was wir dem Personen- und Güterverkehr abverlangen, aber wir sind zuversichtlich: Denn letzten Endes sind wir alle miteinander zum Erfolg verpflichtet. Es muss funktionieren, und das wird es auch, davon bin ich überzeugt. Ich persönlich freue mich riesig darauf, beim ersten Korridor fürs Hochleistungsnetz dabei zu sein.

Enger Schulterschluss aller Beteiligten

Die Riedbahnmodernisierung ist ein Mammutprojekt, das in der Öffentlichkeit steht und viel Aufmerksamkeit erregt. Denn die Vollsperrung wird dem Personen- und Güterverkehr auf der Schiene einiges abverlangen. Wenn die Riedbahn für die Generalsanierung gesperrt ist, muss Ersatz für die Züge geschaffen werden, die sonst auf der Strecke unterwegs sind. Hierfür haben die Eisenbahnverkehrsunternehmen und die DB InfraGO AG zusammen mit den Aufgabenträgern, Zweckverbänden und den Ländern Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein leistungsstarkes Ersatzkonzept entwickelt. Es stellt sicher, dass Menschen und Güter auch während der Generalsanierung im Riedbahn-Korridor zuverlässig ans Ziel kommen. Pünktlich vor Weihnachten 2024 rollen die Züge auf der Riedbahn dann wieder. 

Die Vorbereitungen für dieses Projekt beginnen bereits Anfang Januar 2024, weshalb auf der Riedbahn vom 01. bis zum 22. Januar 2024 eine Sperrung erfolgt. In dieser Zeit kommt das leistungsstarke Ersatzkonzept zum Einsatz, so dass Menschen und Güter weiterhin sicher an ihr Ziel kommen.


Im Bild v. l. n. r.: Stefan Schwinn, Leiter Regionalbereich Mitte Personenbahnhöfe, Michael Groh, Leiter Regionalbereich Südwest Personenbahnhöfe, Andreas Linde, Projektleitung Bahnhofsmanagement Mannheim, Benjamin-Frank Schmidt, Leiter Bahnhofsmanagement Darmstadt, präsentieren die „Neue Wegeleitung Darmstadt Hauptbahnhof für den Ersatzverkehr an der Riedbahn“.