Wegweisend: Systemische Streckenkenntnis
05.04.2024
Wegweisend: Systemische Streckenkenntnis
Das neue Verfahren erleichtert Triebfahrzeugführer:innen das erstmalige Befahren von Strecken – es wird aktuell von DB InfraGO in Abstimmung mit dem VDV auf der Siegstrecke erprobt. 34 zusätzliche Orientierungszeichen weisen hier zukünftig auf örtliche Besonderheiten hin.
Die Infrastruktur flexibler nutzbar machen und diese gleichzeitig für Triebfahrzeugführer:innen (Tf) möglichst ideal und einfach zu gestalten – das ist Ziel der sogenannten systemischen Streckenkenntnis. Das neue Verfahren erlaubt es den Tf, die Strecke ohne Ortskenntnis sicher zu befahren. Das funktioniert mittels spezieller Orientierungszeichen, beispielsweise für ein durch ein Bahnsteigdach nur spät erkennbares Signal oder ein Überholgleis mit vorgeschriebener Haltmeldung.
Anwendung nach eigenem Ermessen der Eisenbahnverkehrsunternehmen
Damit ein Tf eine zuvor nie befahrene Strecke sicher befahren kann, muss der Infrastrukturbetreiber sicherstellen, dass auf der Strecke keine speziellen Betriebsverfahren wie beispielsweise Zugleitbetrieb angewendet werden. Gleichzeitig müssen örtliche Besonderheiten und verkürzte Bremswegabstände sowie abweichende Bremswege entlang der Strecke mit entsprechenden Orientierungszeichen gekennzeichnet werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Infrastrukturbetreiber die Strecke entsprechend kennzeichnen und die systemische Streckenkenntnis einführen.
Viele Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) begrüßen den neuen Ansatz und die einhergehenden geplanten Erleichterungen, zumal es im Ermessen der EVU liegt, ob sie davon Gebrauch machen möchten. Auch die VDV-Arbeitsgruppe, die sich im Zuge der erforderlichen Überarbeitung der Streckenkenntnisrichtlinie (VDV-Schrift 755) mit dem neuen Verfahren beschäftigt hat, sieht großes Potential in der ausgearbeiteten Regelung.
Legende:
Rot: Teststrecke für systemische Streckenkenntnis auf der Siegstrecke // Blau: Regelweg über die Rheinstrecken
Die Erprobung beginnt auf der Siegstrecke
Die erste Strecke, auf der das neue Verfahren erprobt wird, ist die Siegstrecke von Troisdorf über Au, Siegen, Dillenburg nach Wetzlar und weiter über Friedberg und Hanau Nord nach Aschaffenburg. Sie bildet eine wichtige Umleitungs- und Entlastungsstrecke für das Mittelrheintal und wurde daher als erste Teststrecke ausgewählt. VDV und DB InfraGO rufen die EVU nun dazu auf, sich an der Betriebserprobung zu beteiligen. „Wir haben in den vergangenen Monaten entlang der Siegstrecke 34 Vorsignale im verkürzten Bremswegabstand um Orientierungszeichen ergänzt, die den tatsächlich vorhandenen Bremsweg ausweisen. Jetzt sind wir auf die praktischen Erfahrungen unserer Kundinnen und Kunden gespannt,“ so Matthias Kopitzki, Leiter Konzeptionen für Digitalisierung Bahnbetrieb und Leiter für Entwicklung betriebliche Prozesse und Regelwerke DSD bei der DB InfraGO AG.
Das Verfahren der systemischen Streckenkenntnis ist derzeit auf Züge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h begrenzt. Es eignet sich somit in erster Linie für Überführungsfahrten, Umleitungen oder sonstige Züge, die nur unregelmäßig verkehren und bei deren Fahrplankonstruktion verschiedene Laufwege in Frage kommen.